Hessische Tracht des 18. / 19. Jahrhunderts

Es soll eine Tracht des späten 18. bzw. des frühen 19. Jahrhunderts für den Raum Hanau bzw. Wetterau rekonstruiert werden.

 

Die Quellenlage ist hierzu leider recht dürftig, weshalb teilweise auf Abbildungen bzw. Beschreibungen zur Schwälmer Tracht und Odenwälder Tracht zurückgegriffen wird.

 

Für den Mann kristallisieren sich folgende traditionelle Kleidungsstücke heraus:

 

Kopfbedeckung:

 

- Zipfelmütze

- Pelzmütze

- Dreimaster (Filzhut)

 

Oberbekleidung:

 

- weißes Leinenhemd

- Weste aus Wollstoff

- Kniehose (Hirschleder)

- Kniestrümpfe (Wolle)

- Schnallenschuhe

 

weiteres:

 

- Hessenkittel

- Gehrock

 

Eine der wenigen schriftlichen Quellen zur Männer-Sonntags-Tracht in der Wetterau beschreiben diese bestehend aus:

 

- Schwarzer Dreimaster

- weißes Leinenhemd

- hellblaue Weste

- dunkelblauer Gehrock

- gelbe Kniehose (Hirschlederhose?)

- weiße Kniestrümpfe

- schwarze Schnallenschuhe

Im alltäglichen Leben trug der Mann wohl statt dem schwarzen Dreimaster eine einfache wollene Zipfelmütze oder eine Pelzkappe und statt dem Gehrock den sogenannten "Hessenkittel".

Erste Versuche 1 (Hessen-Tracht 18. Jahrhundert)

Als Kopfbedeckung trage ich eine wollene gestrickte "Schlappekapp", dazu ein Leinenhemd, schwarze seidene Halsbinde, rote Wollwest mit hellem Leinen gefüttert und eine "gelbe" Hirschlederhose.

meine handgestrickten "stolzen" Kniestrümpfe aus der Schwalm, gehalten durch ein gewebte wollenes Strumpfband.

Eine Tonpfeife genießen.....

Erste Versuche 2 (Hessen-Tracht 19. Jahrhundert)

Zum 18. Jahrhundert hat sich nicht allzuviel geändert. Ich trage nun eine hellblaue kurze Weste mit Stehkragen und Langschaftstiefel. 

Die restlichen Kleidungsteile bleiben gleich.

Eine "Vorlage" - nach Friedrich Hottenroth (Die nassauischen Volkstrachten)

Mit "moderner Gesteckpfeiffe" aus Holz

Hessische Kleiderordnungen aus dem 18. Jahrhundert

Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Hanau (Frau Rademacher) durften wir am 08.11.2011 zwei hessische Original Kleiderordnungen des 18. Jahrhunderts vom 07.08.1723 und vom 01.05.1772 einsehen, fotografieren und kopieren.

 

Hier die zwei Kleiderordnungen im Original:

Kleiderordnung - 1723
Kleiderordnung - 1723

Kleiderordnung - 1772

Klartext der Kleiderordung von 1772 (Hessen-Cassel):

 

Von Gottes Gnaden

Wir Friedrich, Landgraf zu Hessen, Fürst zu Hersfeld, Graf zu Catzenelnbogen / Dietz / Ziegenhain / Nidda / Schaumburg und Hanau etc. etc. Ritter des königl. Groß-Brittannischen Ordens vom blauen Hosenbande, etc. etc.

 

Fügen nebst Entbietung Unserer Gnade hiermit zu wissen:

Nachdem Wir aus der zeitherigen Erfahrung nicht selbst misfälligst  wahrnehmen müssen, sondern Uns auch von denen auf dem gegenwärtigen Land-Communications-Tage versammelten Ständen die unterthänigste Anzeige geschehen, wasmassen die mehresten Unserer Unerthanen der Kleider-Pracht so sehr ergeben sind, daß sie dabey das Verlhältniß ihres Standes und Vermögens aus den Augen setzen, durch den hierzu misbrauchenden Aufwand aber das ihrige unnützer Weise verschwenden, und besonders dieser übertriebene Luxus wegen des damit verknüpften Gebrauchs fremder Waaren grosse Geldsummen zum Lande hinausführet, hingegen die innländischen  Frabriquen und Manufacturen dadurch in einem immer grösseren Verfall gerathen, mithin Wir aus Landesväterlicher Vorsorge für das  gemeine Beste solchen Ausschweifungen Maaß und Ziel zu setzen  nöthig finden; So ist Unser gnädigster Befehl,

 

                                                                I.

 

Daß zwar Unseren sämtlichen Räthen, sodann denjenigen Secretariis und Archivariis, welche Raths-Caractere haben, inclusive deren Frauen und Kinder, der Gebrauch des Goldes, Silbers, Sammets, und aller anderer in denen folgenden §§ erwehnter Kleidungsstücker nach wie vor erlaubt seyn soll.

 

                                                               II.

 

Dahingegen wird denen mit keinem Raths-Titul caracterisirten Secretariis und Archivariis, so wie allen übrigen Subalternen, Advocaten, Beamten, Burggrafen, Ober- und Förstern (ausser der diesen letztern gebührenden Jagd-Uniforme) Zoll- und Forst-Verwaltern, Baumeistern, Rent- und Accis-Schreibern, Schulbedienten, Feldscheerern und Apotheckern und allen übrigen von der neunten bis zur zwölften Classe des Rang-Reglements inclusive, wie auch ferner denen Kaufleuten, Fabricanten und Künstlern , weniger nicht ihren Weibern und Kindern , ernstlich und bey Strafe der Confiscation verboten, fernerhin weder goldene noch silberne, weder schmale noch breite Hut- und andere Tressen, Litzen oder Bänder, noch sonst einiges gewürkt - oder eingewebtes Gold und Silber, desgleichen Sammet, Stoffe, feine Pelze, kostbare Spitzen, welche über  zween Thaler die Elle kommen, Bouquets von gemachten  Blumen, Steinschnallen und überhaupt alle dergleichen ausländische Galanterie-Waaren zu tragen, insbesondere aber deren Frauen der Gebrauch der goldenen Uhren untersagt.

 

 

                                                                       III.

 

Nebst diesen im §. 2. verbotenen Kleidungsstücken aber sollen die Krämer, Handwerksleute, und alle gemeine Bürger, desgleichen die Bauren, gemeine Soldaten-Weiber, Dienstboten, besonders aber die Juden, nicht weniger deren Weiber und Kinder , überhaupt keine andere Zeuge Tuche, Strümpfe und Hüte tragen, als welche in hiesigen Landen fabricirt worden, jedoch bleibt Cattun und Zitz bis auf weitere Verordnung zu tragen erlaubt.

 

 

                                                                     IV.

 

Damit indeßen die Rasch- und Zeugmacher, gleichwie alle übrigen Handwerks-Leute, eine hinlängliche Quantitaet der zu den künftigen Kleidungen nöthigen Waaren verschaffen können; so soll diese Ordnung eher nicht als den 1ten Januarii 1774. den Anfang nehmen.

 

 

                                                                       V.

 

Allen Schneidern und übrigen Handwerkern aber geschiehet die ernstliche Bedeutung, daß wer von Ihnen sich gelüsten lassen würde, dergleichen verbotene Kleidungen zu machen, das erste mahl mit vierwöchiger Gefängisstrafe, und das zweyte mahl mit Verlust seines Zunft- und Bürger-Rechts ohnnachsichtlich bestraft werden soll.

Wornach sich also alle Unsere Diener und Unterthanen, welche diese gnädigste Verordnung angehet, schuldigst zu achten haben. Urkundlich Unserer eigenhändigen Rahmens-Unterschrift, und beygedrückten Fürstlichen Secret-Insiegels.

Cassel den 1ten May 1772.

Friedrich L.z.Hessen.

Hessenpark Neu-Anspach - Januar 2012

Dillenburg 2012